"Das pfeifen die Spatzen von den Dächern." So hörte man unsere Großeltern öfters sagen, wenn wieder jemand etwas nicht wahrgenommen hat, was nichtwahrzunehmen fast unmöglich war. Plätze für solche Gespräche? Am Gemüsebeet an der Strasse, beim Tante-Emma Laden oder nach dem Gottesdienst.
Gemüsebeete an Strassen gibt es kaum noch, Tante-Emma Läden auch nicht und auch die Gottesdienste, wie sie unsere Großeltern kannten, erlebte schon unsere Eltern nicht mehr. Oh doch, die Liturgie und die Formen, schon noch. Auch die Kirchenbänke waren zu allen Zeiten ähnlich unbequem. Aber während meine Großeltern den Gottesdienst als wöchentliches, dörfliches Großereignis erlebten, waren schon deren Kinder und deren Altersgenossen, nur einige unter wenigen.
Nun pfeifen das schon viele Spätzlein ganz allgemein von solargedeckten Dächern. Ganz speziell pfeift so die F.A.Z. die Untergangsmelodie der Anglikanischen Kirche aufgrund ihrer global-innerkirchlichen ethischen und dogmatischen Spannungen zwischen "West-" und "Nichtwestmitgliedsländern":
"Mittlerweile ist die Anglican Communion wohl unwiderruflich dem Untergang geweiht. Viele Kirchen des Südens halten des Wohlwollen der Episkopal Church in den Vereinigten Staaten und der Church of England gegenüber Homosexuellen und Frauen im Bischofsamt für eine neue Spielart des weißen Imperialismus. Nicht nur die Schrift und die Tradition haben sie auf ihrer Seite, auch die Demographie. Wenn die Anglikanische Kirche dieses Jahrhundert überlebt, dann nicht als "weiße" Kirche."
"Wenn die Kirche dieses Jahrhundert überlebt..." Natürlich werden zu dieser Melodie nun schon seit fast 200 Jahren die aktuellen Untergangsszenerien der jeweils tonangebenden Medien gesungen. (Die meisten medialen Dirigenten sind mittlerweile jedoch selbst längst Geschichte, "die" Kirche aber gibt es noch.) Doch hier klingt ein sehr interessanter anderer Ton durch: bisher wurde zumeist das Festhalten an "Schrift und Tradition" als Katalysator des Untergangs beklagt. Nun legt die F.A.Z. die Sachlage aber genau gegenteilig aus: Die Nichtbeachtung der Trinität aus Schrift, Tradition und Bevölkerungsentwicklung ist wie eine Stummtaste für eine Kirche, die nicht mehr sagen kann, wie Kirche war und sein wird. Denn das findet man eben nicht durch anpassen an oberflächliche, aktuelle Debatten heraus, sondern tatsächlich nur im immer wieder neu erschließen des Textes und des Erörtern der Geschichte der Kirche selber.
Wer genauer auf die (Kirchen-)Geschichte hört, für den kann dieses Lied nur ein altbekannter Klassiker sein. Denn auch das pfeifen die Spatzen von den Dächern: Wenn das Wort inkarniert und lebendig werden kann, dann lebt nicht nur die Kirche, sondern das belebt auch die Gesellschaft. Denn als Christ bin ich (Teil der) Kirche, wie auch (der) Gesellschaft. Ob einer lebendigen oder einer sterbenden, dass hängt auch davon ab, was in mir lebt oder stirbt.
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